Titelbild Blogbeitrag zu Scheinselbständigkeit
„Vorsicht Falle!“ Wer selbstständig Dienstleistungen für andere Unternehmen anbietet (bspw. Beratung, Zuarbeiten, Texterstellung, Büroservice, etc.), gilt per Gesetz unter Umständen als scheinselbstständig und damit als Arbeitnehmer. Wird dies festgestellt, so drohen hohe Nachzahlungen.

Das Dilemma: Warum sind selbstständige Auftragnehmer so beliebt?

Selbständige unterliegen in der Regel nicht der Sozialversicherungspflicht. Im Gegensatz zum Arbeitnehmer muss ein Selbständiger keine Beiträge in die gesetzliche Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung abführen (von Ausnahmen wie bspw. Handwerkern abgesehen). Einhergehend mit dieser Kosteneinsparung trägt der Auftraggeber kaum wirtschaftliches Risiko hinsichtlich Krankehit, Urlaub, Elternzeit und sonstigen Vorkommnissen bei seinem Auftragnehmer, wodurch die Beschäftigung von Selbstständigen meist kostengünstiger ist als die eines Arbeitnehmers (siehe Beitrag Was bedeutet Selbstständigkeit für das Einkommen?).
Doch dies kann zum Boomerang werden! Die Prüfung, ob es sich um Scheinselbständigkeit handelt, nimmt die Deutsche Rentenversicherung durch ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren vor. Dieses kann auch rückwirkend erfolgen, so dass bei Feststellung einer abhängigen statt selbständigen Tätigkeit sozialversicherungspflichtige Beiträge nachgezahlt werden müssen. Sofern Vorsatz nachgewiesen ist, wird eine strafbare Handlung unterstellt.

Checkliste Scheinselbstständigkeit

Ein wesentliches Entscheidungskriterium stellt das Vorhandensein von nur einem Auftraggeber dar. Werden circa 5/6 des Honorars nur über einen Auftraggeber erwirtschaftet, so besteht die Gefahr bei der Feststellung des sozialversicherungspflichtigen Status als Arbeitnehmer eingestuft zu werden.
Weitere Indizien stellen die folgenden Punkte dar:

  • Persönliche Abhängigkeit, d.h. Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit
  • Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers, d.h. personelle Eingliederung (z.B. Zusammenarbeit in einem Team) sowie materielle Eingliederung (Arbeitsmittel des Auftraggebers)
  • Fehlendes Unternehmerisches Risiko, d.h. keine Unternehmerinitiative, kein Kapitaleinsatz
  • Der Selbstständige besitzt keine eigenen Mitarbeiter (Geringfügig Beschäftigte werden nicht anerkannt!)
  • Die selbstständige Tätigkeit entspricht der Arbeit, die vorher durch einen Angestellten erfüllt wurde. Intensiv prüfen die Behörden dann, wenn es sich bei der selbstständig tätigen Person um ein und die selbe handelt.

Was heißt das in der Praxis? Wie hoch ist die Strafe?

Spricht die Vielzahl der oben genannten Punkte für die Scheinselbstständigkeit, so erfolgt eine Einstufung als Arbeitnehmer. Das bedeutet, der Scheinselbständige gilt im Versicherungsrecht als Arbeitnehmer und ist somit sozialversicherungspflchtig. Die Beiträge können nachgefordert werden.
Im Gegensatz zum Arbeitgeber haftet der Arbeitnehmer allerdings nur für die letzten 3 Monate. Ein Arbeitgeber dagegen kann bei nachgewiesener vorsätzlicher Hinterziehung der Sozialversicherungsbeiträge bis zu 30 Jahre rückwirkend in Anspruch genommen werden. Für den Arbeitgeberanteil und den Arbeitnehmeranteil! Der Arbeitnehmer ist hierbei per Gesetz geschützt. Es ist dem Arbeitgeber untersagt, auf den Arbeitnehmer zurückzugreifen und ihn für die rückwirkenden Zahlungen mit in Anspruch zu nehmen.

Wie groß ist die Gefahr der Scheinselbstständigkeit?

Wo kein Kläger, da kein Richter… Das Statusfeststellungsverfahren kann selbst eingeleitet werden und ist daher nicht unbedingt eine Gefahr. Kommt es allerdings zu einer Betriebsprüfung, so kann die „Vertuschung“ auffallen und im Nachhinein geprüft werden. Denn aufgrund der hinterzogenen Lohnsteuer (Schwarzarbeit!) sind auch die Finanzämter zuständig für die Prüfung der selbstständig Tätigen.

 Ausnahmen im Rahmen der Scheinselbstständigkeit

Für arbeitnehmerähnliche Selbständige ist nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI die gesetzliche Rentenversicherung Pflicht. Hierzu gehören Selbständige, die

  1. im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
  2. auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind

Bei Gesellschaftern gelten u.U. als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft. Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist auf Antrag möglich.
Die Ausnahmen müssen allerdings durch ein Statusfeststellungsverfahren festgestellt werden. Dabei besteht natürlich die Gefahr, dass der Selbstständige als scheinselbstständig eingestuft wird.

Weitere Informationen sowie Antrag auf Statusfeststellung

Die zuständige Behörde im Rahmen der Feststellung auf den versicherunsgrechtlichen Status ist die Deutsche Rentenversicherung Bund. Hier können Anträge auf Statusfestsstellung eingereicht und Informationen eingeholt werden.

Deutsche Rentenversicherung Bund
Clearingstelle für sozialversicherungsrechtliche Statusfragen
10704 Berlin
Service-Telefon: 0800 10004800
www.deutsche-rentenversicherung.de

Download: Antragsformular (V027) sowie Erläuterungen zum Antrag (V028). Weitere Informationen zum Verfahren als Download: Rundschreiben zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen
 
Hinweis in eigener Sache: Dieser Text dient lediglich Informationszwecken und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weiterhin ersetzt er keine rechtliche Beratung. Eine rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes kann nur durch die Deutsche Rentenversicherung oder einen Fachanwalt vorgenommen werden.